Besuch im Heidelberger Ionenstrahl-Therapiezentrum
Im Sommer fand sich kurz vor den Abiturprüfungen eine Gruppe Fastabiturienten der Physikkurse im Foyer der Heidelberger Kopfklinik ein.
Herr Hoffmann hatte eine letzte Exkursion für die 12.-Klässler zum HIT, dem Heidelberger Ionenstrahl-Therapiezentrum, organisiert, die sich die physikinteressierten Schüler*innen selbstverständlich nicht entgehen lassen konnten.
Vor Ort angekommen, wurde unsere Gruppe freundlich von der Doktorandin Luise Kutzner empfangen, die uns durch die Welt der Ionentherapie führte. Im Heidelberger Ionenstrahl-Therapiezentrum (HIT) werden Patienten mit inoperablen Tumoren durch Schwerionen- und Protonentherapie behandelt. Das Besondere bei dieser Behandlungsmethode ist, dass der Ionenstrahl tief im Körper liegende oder widerstandsfähige Tumore präzise bestrahlen kann, sodass das umliegende gesunde Gewebe geschont wird.
Präzision entscheidend
Bei der Inbetriebnahme 2009 war das HIT die erste Therapieeinrichtung in Europa, die mit Schwerionen zu Behandlungszwecken arbeitete. Die meisten anderen Bestrahlungszentren nutzen elektromagnetische Wellen, wie Röntgenstrahlen, zur Behandlung. Diese haben aber einen entscheidenden Nachteil gegenüber der Ionentherapie: Es fehlt die Präzision.
Im Gegensatz zur Röntgenstrahlung geben die Ionen ihre zerstörerische Energie erst bei der Unterschreitung einer bestimmten Geschwindigkeit nach dem Eindringen in das Gewebe ab. Auf diese Weise wird das durchdrungene Gewebe vor dem Tumor kaum geschädigt und auch das dahinterliegende wird größtenteils vor der zerstörerischen Strahlung geschützt.
Als wichtige Voraussetzung für das Gelingen dieses Verfahrens ist die Beschleunigung der geladenen Teilchen (Ionen). Hierfür kommt das sogenannte „Synchrotron“ zum Einsatz, das wir gleich zu Beginn besichtigten. Bei einem „Synchrotron“ handelt es ich um einen Ringbeschleuniger, der aus vielen starken Magneten besteht und die Ionen so oft im Kreis beschleunigt, bis sie die gewünschte Geschwindigkeit von 200.000 Kilometer pro Sekunde erreicht haben, was fast 70 Prozent der Lichtgeschwindigkeit entspricht. Mit dieser Geschwindigkeit werden die Ionen zum Patienten in den Behandlungsraum weitergeleitet, der unsere nächste Station auf dem Rundgang darstellte.
Außergewöhnliche Architektur
Die Behandlungszimmer im HIT sind komplett mit Holz verkleidet und man muss einen spiralförmigen Gang passieren, um zum Horizontalstrahlbehandlungsraum zu gelangen. Die besondere Bauart des Ganges ist jedoch nicht der eigenwillige Verewigungsversuch eines exaltierten Architekten, sondern dient dem Strahlenschutz. Die spiralförmigen Wände hindern die Strahlen, egal von welcher Richtung sie kommen, am Austreten. Inmitten des Behandlungszimmers befindet sich eine Liege, die an einem beweglichen Metallarm befestigt ist. Dieser kann die Liege beliebig drehen und in der Höhe verstellen, sodass der Patient ideal vor dem Ionenstrahler platziert werden kann.
Am Ende unserer Führung besichtigten wir das Herzstück des HITs, die „Gantry“. Dabei handelt es sich um eine bewegliche Strahlführungsanlage, bei der der Strahlenaustritt 360 Grad um den Patienten rotieren kann. Dieses technische Wunderwerk ist weltweit einmalig, hat eine Masse von 670 Tonnen und dient zur Behandlung von Tumoren an besonders sensiblen Stellen wie zum Beispiel zwischen den Sehnerven der Augen oder bei besonders kleinen Tumoren.
Koloss mit enormer Kraft
Auch wir waren von der „Gantry“, schon allein von ihrer gewaltigen Größe, schwer beeindruckt. Die „Gantry“ ist ein riesiger blauer Metallkoloss, der sich über drei Stockwerke erstreckt, zwei davon sind unterirdisch. Insgesamt weist die „Gantry“ damit eine Länge von 25 Metern und einen Durchmesser von 13 Metern auf. Luise Kutzner erzählte uns, dass die „Gantry“ in einer Wüste montiert wurde, weil nur an einem Ort mit einer großen freien Fläche ein solches Projekt realisiert werden konnte.
Dann wurde die technische Meisterleistung verschifft und mit einem Kran in das Heidelberger Therapiezentrum platziert. Aber noch heute höre man angelblich die Wüstensandkörner knirschen, wenn sich die „Gantry“ drehe, wie Luise Kutzner mit einem Schmunzeln sagte und den Rundgang durchs HIT beendete.
Wir bedanken uns bei ihr und Herrn Hoffmann für die spannende Exkursion zum HIT, bei der wir vieles über die Schwerionentherapie lernen konnten.