„Judentum, das gibt es doch gar nicht mehr“, ist eine Aussage, die hier zu Lande vielen Juden und Jüdinnen verwundert entgegnet wird, wenn sie einen Antrag auf Zahlung ihre Kirchensteuer an eine jüdische Gemeinde, wie beispielsweise die in Mannheim, stellen.

Für viele Deutsche spielt jüdisches Leben keine Rolle mehr in ihrem Alltag, sie kennen meist keine Menschen mit jüdischem Glauben und eine Auseinandersetzung mit dem Thema Judentum fand höchsten im Religions- oder Geschichtsunterricht statt. Dass es aber immer noch aktive jüdische Gemeinden gibt, auch hier in der Region, haben wenige auf dem Radar. Um das Bewusstsein der Schüler und Schülerinnen für jüdisches Leben zu erweitern, hat das Löwenrot-Gymnasium im Rahmen des Projekts „Schule ohne Rassismus“ am Donnerstag, den 26. Januar 2023, einen Ausflug zur Synagoge Mannheim gemacht.

Einblicke in Geschichte der jüdischen Gemeinde
Die Jugendlichen wurden herzlich von Marlies Studniberg, der Vorstandsvorsitzenden der jüdischen Gemeinde, empfangen und durch die Synagoge geführt. Jüdisches Leben hat in Mannheim Tradition. Bereits seit dem 17. Jahrhundert leben Juden und Jüdinnen in Mannheim und waren bis zum dritten Reich ein aktiver Teil Stadtlebens. Von ehemals 7000 Juden und Jüdinnen, die in Mannheim vor dem Krieg lebten, ließen sich nach dem Krieg gerade einmal zehn Menschen jüdischen Glaubens wieder hier nieder. Viele konnten noch rechtzeitig vor den Nazis fliehen, es wurden aber auch 2000 Mannheimer Juden und Jüdinnen in der Zeit des dritten Reichs ermordet.

Die ehemalige Synagoge wurde während der Pogrome in Deutschland zerstört. Jedoch begann man 1987 mit dem Bau eines neuen jüdischen Gemeindezentrums nach dem Vorbild der alten Synagoge. Es wurden sogar einige Ziegelsteine der ursprünglichen Synagoge mit in das neue Gemeindezentrum integriert, die bis heute den Opfern des Nazi-Regimes gedenken und eine aktive Erinnerungskultur am Leben erhalten. Mittlerweile gibt es wieder mehr Juden und Jüdinnen in Mannheim, die dortige Gemeinde zählt 480 Mitgliedern, viele davon stammen aus der ehemaligen Sowjetunion. Doch wie uns Studniberg erzählte, ist Antisemitismus kein Problem, das mit dem Zerfall des Dritten Reiches aufhörte, sondern immer noch präsent ist.

Angst vor Hass und Terror
Der Antisemitismus zeigt sich heute allerdings häufig subtiler, wie in vermeintlich lustigen in Witzen auf Kosten von jüdischen Menschen. Gerade junge Menschen nehmen so etwas auf die leichte Schulter und sind sich der Tragweite ihre Aussagen nicht bewusst. Auch während größerer Feiertage steht die jüdische Gemeinde unter Polizeischutz, aus Angst vor einem rechtsextremistischen Terroranschlag. Wie schnell der Hass gegen Menschen, die nur friedlich ihre Religion ausüben wollen, in reale Gewalt ausarten kann, zeigt nicht zuletzt der Terroranschlag in Halle und beweist, dass Antisemitismus auch im Deutschland des 21. Jahrhunderts immer noch ein Problem ist.

Tradition und Brauchtum
Es wurde jedoch nicht nur über die Geschichte des Judentums und den Antisemitismus heute gesprochen, sondern auch über die Religion an sich. Den siebenarmigen Leuchter als Symbol für das Judentum dürfte vielen Menschen noch bekannt sein, doch dass die Kerzen des Leuchters eigentlich niemals angezündet werden, war für alle neu. Nur die Kerzen des achtarmigen Chanukka-Leuchters brennen. Chanukka wird auch als Lichterfest bezeichnet und man feiert es acht Tage lang im Dezember. Dabei wird zu Ehren des jüdischen Feiertags an jedem Tag eine weitere Kerze angezündet, bis schließlich am achten Tag der ganze Kerzenständer erleuchtet ist.

Ein weiterer wichtiger Kultgegenstand, den man für den jüdischen Gottesdienst benötigt, ist die Tora, die Heilige Schrift der Juden. Auf einer Pergamentrolle sind alle fünf Bücher Moses notiert, die man innerhalb eines Jahres im Gottesdienst behandelt.  Auf traditionelle Weise werden die Torarollen von einem sogenannten Toraschreiber handschriftlich verfasst, wobei mit einem Federkiel das Pergament minuziös und fehlerfrei beschrieben wird. Was am Ende dabei rauskommt, ist ein wirkliches Kunstwerk.

Die jüdische Gemeinde in Mannheim verfügt nicht nur über eine, sondern über mehrere Torarollen, die von Gemeindemitgliedern gestiftet wurden. Sie werden in einem zentralliegenden Schrank, auf dessen Türen die Zehn Gebote abgebildet sind, gelagert. Als Studniberg den samtenen roten Vorhang im inneren des Schrankes zur Seite schob, konnten die Schüler und Schülerinnen die in kunstvollen Mänteln umhüllten Toras betrachten.

Die Griffe der Torarollen waren zudem mit Kronen verziert. Das ist so, weil die Tora eine Königin sei, wie Studniberg den Jugendlichen erklärte. Deshalb dürfe man sie auch nicht mit bloßen Händen, sondern nur mit einem Torazeiger, einem hölzernen Stab mit einer silbernen Hand mit ausgestrecktem Zeigefinger an der Spitze, anfassen. Im Anschluss an die Führung gab Studniberg den Schülern und Schülerinnen noch die Möglichkeit Fragen zu stellen.

Somit ging ein sehr interessanter Ausflug in die Synagoge Mannheim zu Ende, bei dem jeder von sich behaupten kann, etwas Neues gelernt zu haben. Die Schüler und Schülerinnen erlebten ein authentisches und modernes jüdisches Gemeindeleben, das vor allem zeigt: „Ja, Judentum in Deutschland, das gibt es wirklich auch heute noch.”

Text: Kim, K1; Video: Sky, K1 – Herzlichen Dank!

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