„Wir können den Wind nicht beherrschen, aber wir können die Segel setzen“ – unter diesem Motto fand für das Kollegium sowie interessierte Besucher ein Vortrag von Prof. Dr. Anne Sliwka vom Institut für Bildungswissenschaften Heidelberg statt. Der Vortrag „Guter Unterricht und gute Schule: Forschungsbefunde und internationale Beispiele“ diente zusätzlich als Denkanstoß für den pädagogischen Tag. Nach einer Einführung durch Schulleiter Ulrich Müller machte Referentin Sliwka sogleich darauf aufmerksam, dass guter Unterricht sich vor allem durch gemeinsame Sprache, gemeinsam verfolgte Ziele und nicht nur über den Austausch, sondern auch über die Ko-Konstruktion, also den gemeinsamen Aufbau neuer Konzepte, auszeichne.

Dabei seien drei Ziele ausschlaggebend: Zum einen das Erreichen eines hohen Bildungsniveaus (excellence), zum anderen die Chancengleichheit, also die Entkopplung von Herkunft und Bildung (equity) und weiterhin die mentale Gesundheit und das Wohlbefinden (mental health und well-being). Um diese Faktoren im Bildungssystem zu evaluieren, müssen die Tiefenstrukturen, also die mehrdimensionale Qualität der Lern- und Verstehensprozesse der Schülerinnen, erfasst werden. Für die Tiefenstrukturen sind dabei unter anderem das Classroom-Management, die kognitive Aktivierung sowie die konstruktive Unterstützung entscheidend. Emotionen haben hierbei einen hohen Signalcharakter, der für die Reflexion des eigenen Unterrichts entscheidend ist. So zeige Langeweile bekanntermaßen meist eine Unterforderung oder eine mangelnde kognitive Aktivierung an.

Die Verbesserung und Anpassung des Unterrichts sei gerade in Anbetracht neuer Forschungsergebnisse essentiell. Die Schulen müssten sich an neue Aufgaben anpassen, die von der Wirtschaft gefordert würden. Denn heutzutage müssten in allen Arbeitsbereichen immer mehr neuartige Aufgaben gelöst werden, da Routineaufgaben stetig zurückgingen und von technischen Hilfsmitteln übernommen werden könnten, erläuterte Sliwka. Diesen Prozess nennt man ‘Upskilling’ (dt. in etwa: Aneignung erweiterter Fähigkeiten). Die Computer würden dem Menschen in Zukunft noch mehr Aufgaben abnehmen und die Menschen würden diese Gegebenheiten nutzen, sodass die Schulen sich an diese Entwicklungen anpassen und demzufolge die Aufgaben immer komplexer gestalten müssten, da SchülerInnen sonst nur Programme zum Problemlösen anwendeten.
‚Deeper Learning‘ (dt. vertieftes Lernen) als ein Konzept des Lernens, das die Tiefenstrukturen anspricht, basiere auf einem Modell, das zuerst eine Instruktionsphase voraussetze, dann erfolge eine Ko-Konstruktionsphase, die in eine Präsentationsphase münde. Ein solches Konzept werde als Grundlage an Schulen in Singapur verwendet, berichtete Anne Sliwka aus ihrer Praxiserfahrung.

Es gebe heutzutage viele Etikettierungen in unserem Schulsystem und im Elternhaus, zum Beispiel: „Fremdsprachen kann in unserer Familie niemand.“ Dies sei in der Hinsicht problematisch, da sowohl positive als auch negative Etikettierungen den Lernfortschritt zum Stillstand bringen könnten. Dies sei der Tatsache geschuldet, dass solche Etikettierungssätze sehr lange im Gedächtnis bleiben könnten. Besser seien dahingehend genaue und enge Rückmeldungen wie beispielsweise: „Du hast dich schon verbessert gegenüber dem letzten Test. Wenn du die unregelmäßigen Verben gut lernst und übst bis zur nächsten Woche, dann kannst du dich noch weiter verbessern.“

Systeme der Ko-Konstruktion könnten durch die Zusammenarbeit von Lehrkräften zu drei positiven Faktoren führen. Erstens würden die Lehrkräfte dahingehend entlastet und seien zufriedener. Zweitens stiegen die Lehrergesundheit sowie das Wohlbefinden und drittens würden die Lerninhalte vertiefter verarbeitet. Dieser Weg habe eine doppelte Funktion, denn nicht nur die Schüler würden besser durch diese Konzeption, sondern auch die Lehrkräfte profitierten hiervon. Im Anschluss an ihren Vortrag bot Frau Prof. Dr. Sliwka genügend Raum für die Diskussion kontroverser Aspekte ihres Vortrags.